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02.04.2011

 

3.Quartalsbericht aus Brasilien

 

 

Sehr geehrte Rotarier des Rotary-Clubs Gummersbach,

 

Jetzt ist schon April und damit Zeit für meinen dritten Quartalsbericht über mein Austauschjahr in Brasilien. In den letzten drei Monaten habe ich wieder viel erlebt, gesehen und gelernt. Mir geht es weiterhin super; ich habe das Gefühl mein Austausch wird von Monat zu Monat schöner. Umso kleiner wird die Lust, wieder nach Deutschland zurückzukehren, auch wenn ich mich natürlich schon jetzt freue, alles „Alte“ wieder zu sehen.

Doch nun zu dem, was ich in den vergangenen drei Monaten gemacht habe.

Kurz nachdem ich mit meinen Gasteltern aus dem Weihnachtsurlaub in Rio Grande do Sul wiedergekommen bin, stand Silvester und damit das neue Jahr 2011 vor der Tür. Hier ist es Tradition, dass man Silvester in weißer Kleidung feiert, um friedlich in das neue Jahr zu gehen. Meine Gasteltern und ich sind abends zu den Eltern meiner Gastmutter gefahren und haben dort mir vielen Freunden und Familienmitgliedern gegessen und gefeiert. Mitternacht haben wir dann das große Feuerwerk der Gemeinde beobachtet, uns umarmt und gegenseitig ein „feliz ano novo“ gewünscht. Danach gab es noch traditionell kalte Linsensuppe (die soll Geld bringen), Schweinekopf (bringt Glück) und zwölf Weintrauben, bei denen man sich für jede etwas für das neue Jahr wünschen soll, außerdem ganz viel Obst und einen riesigen Kuchen. Die ganze Feier fand draußen statt und es war einfach nur schön, das Leben auf der Straße zu beobachten und all die fröhlichen, weiß gekleideten Menschen zu beobachten. Allerdings kam mir der Silvesterabend ungewohnt kurz vor, weil das Ganze erst um 22Uhr begonnen hat und um 1 Uhr schonwieder vorbei war. Am Neujahrstag sind wir zu den Großeltern von meinem Gastvater gefahren wo es ein riesiges Neujahrs-Familienessen gab.

Die ersten Tage des neuen Jahres habe ich dann ruhig zu Hause oder im Freibad verbracht, bevor es los ging nach Florianopolis. Die Familie von Carolina (, die fünf Monate in meiner Familie in Deutschland war) hatte mich eingeladen, sie zu besuchen, also bin ich am 5.Januar losgefahren. Zwölf Stunden Busfahrt, so was hatte ich vorher noch nie gemacht, aber mit viel Schlaf, Musik und zwei kurzen Pausen habe ich es gut überstanden und war wirklich froh, als ich am Morgen des nächsten Tages die Brücke nach Floripa vor mir liegen sah. Florianopolis ist eine Insel im Bundesstaat Santa Catarina und wirklich, wie mir alle Brasilianer vorhergesagt hatten wunderschön. Carolinas Mutter, Rubia, hat mich vom Busbahnhof abgeholt und innerhalb der ersten Tage habe ich eine weitere Familie kennenlernen und in mein Herz schließen können. Leider hat es in der ersten Zeit sehr viel geregnet und Hendrik, ein Austauschschüler aus München, der bei der Familie lebt, war krank, so habe ich in der ersten Woche hauptsächlich Arztpraxen kennen gelernt, aber ich hatte auch die Möglichkeit, mich mit Celma, einer Austauschschülerin aus Mosambik zu treffen, die ich zuvor schon etwas über E-Mails kennen gelernt hatte. Zusammen mit Rubia sind wir ein einen etwas abgelegenen Stadtteil von Floripa gefahren, besser gesagt, ein kleines Fischerdörfchen mit wunderschönen, alten, portugiesischen Häusern und Handarbeitsläden. Dies war ohne Zweifel einer der schönsten Orte, die ich bisher von Brasilien gesehen habe und mit Celma habe ich mich von Anfang an super verstanden. Ich hatte zuvor noch nie so mit jemandem aus Afrika sprechen können und es gab so viel Interessantes zu fragen und zu erzählen, dass ein Tag eigentlich viel zu kurz war. Leider hat Celma nur einen sechswöchigen Austausch gemacht und musste wenige später schonwieder zurück nach Mosambk fliegen. Wir schreiben aber immer noch miteinander und meine Liste mit den Orten, die ich unbedingt mal kennen lernen möchte, wächst ins Unendliche...

In den folgenden Tagen habe ich viel mit Rubia unternommen; sie hat mir das Stadtzentrum von Floripa und einige (der 23) Strände gezeigt. Für drei Tage haben wir eine Freundin von ihr in Camburiu, einer Stadt auf dem Festland in der Nähe besucht, die sich hervorragend zum shoppen und Strandurlaubmachen eignet. An den Wochenenden gab es meistens Churrascos mit der ganzen Familie und die Abende habe ich oft mir Hendrik auf der Terrasse deutsch-sprechend verbracht. An einem dieser Abende ist auch die Idee entstanden, für die Familie einmal „was richtig deutsches“ zu kochen, nur was ist „richtig deutsch“ wenn der eine aus München und die andere aus dem Oberbergischen kommt? Waffeln mit Eisbein? Letztendlich haben wir uns für schwäbische Nudeln, Salat und Apfelstrudel entschieden, doch weil das Nudeln-Kneten gefühlte 12 Stunden in Anspruch genommen hat, musste der Apfelstrudel auf den nächsten Tag verschoben werden. Und auch wenn die Nudeln wirklich lecker waren stand danach fest, dass das nächste deutsche Essen eher Schnitzel mit Kartoffeln als selbstgemachte Nudeln werden würde. So lernt man also auch in Brasilien eine Menge über Deutschland.

Viel zu schnell waren dann auch meine drei wunderschönen Wochen „auf Floripa“ vorbei und ich musste meine zwölfstündige Heimreise antreten. An den beiden letzten Tagen dort haben Rubia und ich die Insel mit dem Auto einmal umrundet; ein Tag im Süden und einen im Norden. Dabei hatte ich noch mal die Gelegenheit, viele tolle Orte zu sehen und mich von der Insel zu „verabschieden“. „Wer Rio de Janeiro für „die wundervolle Stadt“ hält, war noch nie in Floripa“, sagen hier viele Leute, ich selbst kann mir darüber noch kein Urteil erlauben, weil ich noch nie in Rio war, aber Florianopolis ist wirklich eine super schöne Stadt.

Wieder in meiner Stadt angekommen hatte ich noch knapp drei Wochen Ferien, die ich hauptsächlich zu Hause verbracht habe. Viele meiner Freundinnen waren mit ihren Familien im Urlaub, meine Gasteltern mussten arbeiten und so habe ich mich dann dem Lesen, Freibad oder Gitarrespielen gewidmet. Da verging die Zeit weiterhin schnell und plötzlich fing die Schule auch schon wieder an. Es war toll, alle nach den langen Ferien wiederzusehen, aber ich habe schnell gemerkt, dass ich letztendlich doch die Ferien der Schule vorziehe. Und dank meinem wunderbaren Dasein als Austauschschülerin und Gasteltern, die nicht auf die Schulferien angewiesen sind, bin ich eine Woche nach Schulanfang noch mal mit meinen Gasteltern verreist: Diesmal nach Itapema, einer kleineren Stadt an der Küste von Santa Catarina. Wir haben in einer Ferienwohnung gewohnt und einen echt brasilianischen Strandurlaub mit frischen Fruchtsäften, Churros (Teiggebäck), Churrasco gehabt, am Strand (sofern die Sonne geschienen hat) oder lesend in der Wohnung (was auch schön ist...). Abends sind wir durch die Einkaufstraße, von Eisdiele zu Eisdiele gebummelt; die Geschäfte dort haben bis 22Uhr geöffnet und somit spielt dort abends in den Straßen das Leben.

Seit Mitte Februar sind wir wieder hier und das Alltagsleben hat eingesetzt. Portugiesisch ist nun wirklich kein Problem mehr, ich muss nur noch gelegentlich einige Wörter nachfragen und auch wenn meine Grammatik sicherlich noch nicht die beste ist und jeder meinen Dialekt raushört kann ich mich gut unterhalten und verstehe im Unterricht fast alles. Dadurch wird die Schule auch interessant und ich komme immer und immer mehr in Kontakt mit meinen Mitschülern, was mich wirklich sehr freut. Außerdem hatte ich Gelegenheit, meine japanische „Gastschwester“, Kanako, die ein Jahr in meiner ersten Gastfamilie gelebt hatte, kennenzulernen, weil sie bald in Rio studiert und vorher hierher zu Besuch gekommen ist.

Karneval wird hier im Süden Brasiliens nicht sehr groß gefeiert, aber es gab schulfrei und in meiner Stadt war „Agroshow“ , ein Zwischending aus Landwirtschaftsmesse und Dorffest, jeden Abend gab es Sertaneja-Konzerte, von denen ich zwei mit meinen Freundinnen besucht habe. Konzert heißt hier nicht, sitzen und zuhören, sondern tanzen und mitsingen und das haben wir alle auch gemacht. Nicht ein Video könnte die Stimmung wiedergeben, die vor, während und nach den Shows geherrscht hat, es war einfach nur unglaublich schön. Ich liebe die Musik hier und die Menschen, die immer laut mitsingen und tanzen und bereue es, nicht vor diesem Jahr mal einen Tanzkurs gemacht zu haben...

An den freien Tagen nach dem Karnevalswochenende bin ich mit einer Freundin und ihrer Familie auf deren Farm in einer Nachbarstadt gefahren, wo wir zwei tolle Tage verbracht haben.

Dann war ich noch mit Patrick, einem Rotarier, in „Entre Rios“ einer deutschen Kolonie, hier in der Nähe. Dort habe ich neben Maiseis Vollkornbrot und Bratwurst essen können. Die Häuser in der Kolonie sind nicht wirklich deutsch, allerdings sind die Wegweiser zweisprachig geschrieben und weil an den Schulen Deutsch unterrichtet wird finden sich wirklich viele Leute, die auch Deutsch sprechen.

Ein weiteres Ereignis des letzten Monats war der Besuch Obamas in Brasilien, über den die Medien hier laufend berichtet haben. Von den Sicherheitsvorkehrungen in Rio, Jugendlichen, die große Schilder mit „Yes, we also can!“ in der Hand halten und Obama zujubeln, bis zur Kleidung von Michelle Obama, über alles wurde erzählt; nur nicht viel über den politischen Hintergrund des Besuchs. Der scheint hier aber auch kaum jemanden zu interessieren...

So, das ist also, grob zusammengefasst, was hier in der letzten Zeit passiert ist.

In meiner Freizeit gehe ich weiterhin zum Gitarrenunterricht, ins Fitness-Studio, zu Interact und Rotary und treffe mich mit Freunden .Nächsten Mittwoch ist ein Austauschschülerwochenende in Curitiba und Anfang Mai werde ich zu meiner dritten und letzten Gastfamilie ziehen, dann sind es noch zwei Wochen bis zu meiner großen Amazonasreise und dann nur noch knapp zwei Monate, bis ich nach Hause fliege. Am 5.August werde ich wieder auf deutschem Boden stehen; eine Tatsache, die ich mir so noch gar nicht vorstellen kann. Ich freue mich wirklich riesig auf meine Familie und Freunde, aber mein Leben hier von einem Tag auf den anderen „aufzugeben“ wird bestimmt nicht einfach. Vor dem Austausch denkt man immer, ein Jahr würde „ewig“ dauern und wenn man dann erstmal im Gastland ist, fliegt die Zeit nur so vorbei...

Die drei Monate, die ich noch hier bin, werde ich also versuchen, voll und ganz zu genießen und auszunutzen und mich trotzdem schon mal ein bisschen auf die Heimreise vorzubereiten.

 

Bis bald in Deutschland,

muitos abracos,

 

Elena Rother